Was sagt das Arbeitsschutzgesetz zu Hitze am Arbeitsplatz?

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Nachdem er zuletzt ein wenig aus dem Fokus der Öffentlichkeit gerückt war, wurde dem Klimawandel im vergangenen Jahr durch die von der 16-jährigen Schwedin Greta Thunberg initiierten Freitags-Demos wieder mehr Aufmerksamkeit zuteil. Nicht zu Unrecht, wenn man bedenkt, dass die in den Sommermonaten überhandnehmende Hitze am Arbeitsplatz durch das Arbeitsschutzgesetz schon vor Jahrzehnten eingedämmt werden musste. Wie im deutschen Paragraphendschungel üblich, wurde es jedoch so vage formuliert, dass es zahlreiche Interpretationen zu seinem Inhalt gestattet.

Hitze am Arbeitsplatz, wenn möglich vermeiden

Zumindest in Bezug auf das Arbeitsschutzgesetz können die Behörden aber eine Erklärung dafür anführen: So dient es dazu, allgemeine Bestimmungen für sämtliche deutschen Arbeitsbereiche zu erlassen, während konkrete Grenzwerte und Gegenmaßnahmen in den technischen Regeln der jeweiligen Branchen festgehalten werden. Demzufolge wird im eigentlichen Arbeitsschutzgesetz Hitze am Arbeitsplatz nicht einmal erwähnt: „Der Arbeitgeber muss den Arbeitsschutz derart gestalten, dass die Gefährdung des Lebens, der geistigen und körperlichen Gesundheit möglichst vermieden wird.“ Wie der Gesetzgeber dies bezüglich der Arbeitstemperatur umgesetzt wissen möchte, wird in der Arbeitsstättenverordnung bereits detaillierter ausgeführt: „Alle Arbeitsbereiche, deren Temperatur aus betriebstechnischen Gründen nicht exakt festgelegt ist, müssen ein gesundheitlich einwandfreies Raumklima aufweisen.“

Wuerfel mit Paragraph Symbolen auf einer Tastatur
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Dies schließt neben den eigentlichen Arbeits- natürlich auch Pausen- und Sanitärräume mit ein. Allerdings bewirkt der in der Verordnung enthaltene Einwand, dass betriebsbedingte Notwendigkeiten dessen Vorgaben wieder aufheben können, dass ihre Gültigkeit fast ausschließlich auf Tätigkeiten in Büro-Räumen begrenzt bleibt. Schließlich umfasst diese Einschränkung weite Teile der:

  • verarbeitenden und produzierenden Industrie
  • Dienstleistungsbranche
  • Lagerhaltung

Darüber hinaus werden die Arbeitgeber im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung dazu angehalten, die angewandten Arbeitsverfahren sowie die körperliche Beanspruchung ihrer Angestellten zu berücksichtigen, um die Hitze am Arbeitsplatz nicht ausufern zu lassen. Was damit im Einzelnen verbunden ist, wurde wiederum in der Arbeitsstättenregel (ARBEITSSCHUTZGESETZ) 3.5 zusammengefasst.

Die Sonne ist an allem schuld

Und dort wird ersichtlich, dass laut dem Arbeitsschutzgesetz die Hitze am Arbeitsplatz zu großen Teilen auf die Sonneneinstrahlung zurückzuführen ist:

„Steigt die Arbeitstemperatur dauerhaft über 26 Grad, ist der Arbeitgeber angehalten, Schutzmaßnahmen zu ergreifen.“

Diese zielen in erster Linie darauf ab, die UV-Belastung am Arbeitsplatz zu senken, sodass die ARBEITSSCHUTZGESETZ als Gegenmaßnahmen empfiehlt:

  • das Herablassen der Jalousien
  • vermehrtes Lüften
  • die Verlagerung der Tätigkeiten in sonnenabgewandte Büro-Bereiche
  • Lockerung der Bekleidungsvorschriften
  • getönte Fensterscheiben

Bis zu diesem Punkt besteht dazu aber keine gesetzliche Notwendigkeit, die erst eintritt, sobald die Temperatur im Büro die 30-Grad-Marke überschreitet. Nun ist der Arbeitgeber verpflichtet zu handeln, was sich z. B. mit der Bereitstellung kostenloser Kaltgetränke oder auch der Installation einer zentralen Lüftungs- bzw. Klimaanlage bewerkstelligen ließe. Darüber hinaus besteht bei Hitze die Option, die Arbeitszeiten zu verlegen oder ggf. auch zu kürzen. All diese Maßnahmen verkommen jedoch zur Makulatur, wenn die Innen-Temperatur über 35 Grad steigt. Die ARBEITSSCHUTZGESETZ ist in diesem Punkt schließlich äußerst aussagekräftig: „Ab einer Raumtemperatur von 35 Grad steigen die gesundheitlichen Gefahren für die Angestellten exorbitant an. Die entsprechenden Räumlichkeiten sind demnach als dauerhafter Arbeitsplatz unzulässig.“

Mann trinkt Wasser im Buero
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In diesem Zusammenhang ist es zudem interessant, dass die ARBEITSSCHUTZGESETZ deutliche Unterschiede zwischen der Lufttemperatur (also den objektiv messbaren Werten) und der subjektiv wahrgenommenen Raumtemperatur macht. Die in der Verordnung festgelegten Grenzwerte beziehen sich indessen ausschließlich auf Letzteres, sodass die Arbeitgeber neben der tatsächlichen Temperatur im Büro zusätzlich auch noch die Luftfeuchtigkeit berücksichtigen müssen.

Flüssige Hitze

Mit jener Problematik beschäftigt sich wiederum das ARBEITSSCHUTZGESETZ 3.6, dessen Maßnahmenkatalog jedoch früher ansetzt. So ist laut dem Arbeitsschutzgesetz die Hitze am Arbeitsplatz bereits grenzwertig, wenn 20 °C und 80 Prozent relative Luftfeuchtigkeit überschritten werden. Diese Grenze wurde selbstredend nicht willkürlich gezogen, sondern orientiert sich daran, wie der menschliche Körper auf Hitze reagiert: Die erhöhte Körperinnen-Temperatur verlangsamt den Blutkreislauf, wodurch wiederum die Schweißdrüsen angeregt werden. Die austretenden Schweißtropfen verdunsten, wenn Wärmeenergie in die äußeren Hautschichten geleitet wird, wodurch das Gesamtsystem letztlich abgekühlt wird.

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Diese fein ausgeklügelte Prozedur gerät jedoch schnell ins Stocken, wenn Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Gleichschritt ansteigen. Dementsprechend darf die maximale Luftfeuchtigkeit nur noch 55 Prozent betragen, sobald die Temperatur im Büro 26 °C erreicht. Um dieses Vorhaben einzuhalten, empfiehlt das Arbeitsschutzgesetz die Raumluft regelmäßig auszutauschen, was sich sowohl durch manuelle Lüftung als auch mittels luftdurchlässiger Außenwände umsetzen lässt. In jenem Zusammenhang werden zudem konkrete Grenzwerte für die Kohlenstoffdioxidkonzentration am Arbeitsplatz aufgeführt. Um schwüle Hitze und das damit einhergehende, bedrückende Raumklima einzudämmen, wird dabei vor allem auf die Vorzüge zentraler Lüftungs- und Klimaanlagen verwiesen.

Empfehlenswert: Trotz erhöhter Temperatur und Luftfeuchtigkeit einen kühlen Kopf bewahren

Was kaum verwundert, wenn man berücksichtigt, dass selbst die kleineren Vertreter unter den Klimaanlagen schon bis zu 300 Kubikmeter Luft in der Stunde umwälzen können. Zudem lässt sich das Raumklima und dessen Luftfeuchtigkeit damit so präzise einstellen, dass in den meisten Fällen keine weiteren Gegenmaßnahmen ergriffen werden müssen. Neben ihren technischen Vorzügen wird zentralen Klimaanlagen allerdings auch eine gewisse finanzielle Belastung nachgesagt, wodurch ihr Einsatz in der Verwaltung kleiner und mittelständischer Betriebe häufig ausgeschlossen ist. Da das Arbeitsschutzgesetz gegen Hitze am Arbeitsplatz die Verwendung zentraler Klimaanlagen aber nicht explizit vorschreibt, sondern nur empfiehlt, darf der Arbeitgeber hier durchaus etwas kreativer agieren.

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So haben sich insbesondere elektrische Luftentfeuchter den Ruf erworben, in den Sommermonaten recht kostengünstig zu einem leistungsfördernden Raumklima beitragen zu können. Schließlich regulieren sie nicht nur die relative Luftfeuchte, sondern filtern zugleich auch feinste Staubkörner aus der Raumluft. Ob der Arbeitgeber aber auf professionelle Klimatechnik zurückgreift, um die Hitze am Arbeitsplatz einzudämmen, ist weitgehend freigestellt. Allerdings ist es doch recht erschreckend, dass die Missachtung des Arbeitsschutzgesetzes nicht zwangsläufig zu direkten Konsequenzen führt.

Kuriose Gesetzgebung Teil zwei: Trotz Hitze am Arbeitsplatz gibt es kein hitzefrei

So sieht das deutsche Arbeitsrecht nicht vor, dass Arbeitnehmer dem Büro nach eigenem Ermessen fernbleiben dürfen. Das Recht auf Hitzefrei muss somit erst erwiesen werden. Hierfür ist zunächst der Betriebsrat der erste Ansprechpartner, der den Arbeitgeber auf potentiell gesundheitsgefährdende klimatische Bedingungen ansprechen bzw. aufmerksam machen wird. Allerdings besteht selbst dann kein Recht die Arbeit niederzulegen, wenn sich daraufhin noch immer keine Linderung einstellt. Die nächsthöhere Instanz sind demnach die Gewerbeaufsichtsämter der Länder, die neben der Anordnung empfindlicher Geldbußen einzelne Gebäudeteile und sogar ganze Maschinenparks stilllegen dürfen. Wenn das alles nicht zum Einlenken des Arbeitgebers führt, verbleibt dem hitzegeplagten Büroangestellten letztlich nur noch die Option, mit dem Verweis auf Verletzung der Fürsorgepflicht fristlos zu kündigen.

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Dass man damit aber nicht bis zum allerletzten Augenblick warten sollte, verdeutlichen die Geschehnisse, die sich 2014 während der Erntezeit in Baden-Württemberg abspielten: Damals kollabierte ein Erntehelfer bei sengender Hitze noch auf dem Feld, nachdem der Landwirt ihm fortwährend zusätzliche Pausen untersagte. Laut Aussage der behandelnden Ärzte verstarb er schließlich, nachdem er zwei Wochen im künstlichen Koma zubrachte, an einer angeborenen Herzschwäche. Wer nun einen Kausalzusammenhang zwischen den Arbeitsbedingungen und dem tragischen Tod des Erntehelfers vermutet, sieht sich ein weiteres Mal mit kurioser Gesetzgebung konfrontiert: Das zuständige Gericht stellte das Verfahren gegen den Landwirt wegen fahrlässiger Tötung gegen die Zahlung von 8.000 Euro ein, weil der Geschädigte seine Sicht der Dinge leider nicht mehr zu Protokoll geben konnte.