Die Taupunktkurve: Klimatechnik trifft Wissenschaft

In der Welt der Betriebsanleitungen elektrischer Betriebsmittel erfreuen sich exotische Fach-Begriffe einer langen Tradition. So stand schon so mancher Eigenheimbesitzer nach dem Erwerb moderner Luftentfeuchter vor einem Mysterium, wenn darin die Differenz zwischen absoluter bzw. relativer Luftfeuchte und insbesondere die sogenannte „Taupunktkurve“ erörtert wurde. Was mag es damit auf sich haben?

Der Quell des Lebens in luftigen Höhen

Um diese Frage zu beantworten, bedarf es glücklicherweise nur weniger Worte. Bedauerlicherweise benötigen durchschnittlich gebildete Mitteleuropäer jedoch noch einen Simultandolmetscher, um deren Bedeutung zu erfassen.

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So dient die Taupunktkurve in der Meteorologie als Phasengrenzlinie in Diagrammen zur Bestimmung der Regenwahrscheinlichkeit, welche das Verhältnis der maximalen Luftfeuchte zur Temperatur darstellen. Um den nun entstandenen Knoten im Gehirn des Lesers wieder zu entwirren, gilt es demnach zunächst einmal, die Definitionen zu klären.

Den simpelsten Part sollte dabei die Temperatur repräsentieren, die quasi selbsterklärend daherkommt.

Die Erläuterungen zur Luftfeuchtigkeit gestalten sich da schon wesentlich umfangreicher. So unterscheidet die Meteorologie insgesamt drei Varianten davon, die uns auf dem Weg zur Taupunktkurve des Öfteren wiederbegegnen werden:

Die absolute Luftfeuchtigkeit:

Sie gibt an, wie viel Wasserdampf zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Luft gebunden ist. Ihr Wert wird mithilfe analoger oder digitaler Hygrometer ermittelt und in g pro Kubikmeter angegeben.

Die maximale Luftfeuchtigkeit:

Dieser Zustand beschreibt die Eigenschaft der Luft, nur einen bestimmte Menge Wasserdampf absorbieren zu können. Jener Effekt ist jedoch temperaturabhängig und schwankt somit je nach Jahres- und Tageszeit erheblich.

Die relative Luftfeuchtigkeit:

Hierbei handelt es um einen virtuellen Wert, der sich aus der Division der absoluten und maximalen Luftfeuchtigkeit ergibt und der dementsprechend in Prozentzahlen wiedergegeben wird.

Was bedeutet das alles?

Und inwiefern mag dies nun alles für die internationalen Wetterfrösche von Bedeutung sein? Da spielt der Umstand eine Rolle, dass unsere Atmosphäre (Luft) und Lithosphäre (Wasser und Erde) auf molekularer Ebene keinesfalls so scharf voneinander abgegrenzt sind, wie es den Anschein hat. So setzt sich das Wassermolekül bekanntermaßen aus zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom zusammen.

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Dass es auf der Erde sowohl in flüssigem als auch in gasförmigem Zustand daherkommt, verdankt es den Gesetzen der Thermodynamik, bei der die Temperatur eine große Rolle spielt. So existiert ein chemisches Element in einem abgeschlossen System mit stabilen Druckverhältnissen immer in beiden Aggregatzuständen.

Das Verhältnis verschiebt sich dabei umso stärker zugunsten der gasförmigen Moleküle, je höher die Temperatur ansteigt. Dementsprechend wird sich im System wieder mehr Flüssigkeit ansammeln, wenn die Temperatur fällt. Dieser Vorgang wird in der Meteorologie als Tau- bzw. Kondensationspunkt bezeichnet.

Atmosphärische Konstante – Der Taupunkt

Sobald er erreicht wurde, erzielen die Moleküle der Luft die kritische Bewegungsenergie, die benötigt wird, damit sich der Wasserdampf von ihnen lösen und an winzige Staubpartikel heften kann. Geschieht dies in ausreichendem Maße, bilden sich schließlich Wolken, Nebel und selbstverständlich Tau.

In Bezug auf die zu erwartende Niederschlagsmenge nimmt die relative Luftfeuchtigkeit somit eine Schlüsselfunktion ein: Je höher dieser Wert ausfällt, umso höher liegt die Wahrscheinlichkeit, dass es in diesem Gebiet in den nächsten Tagen regnen wird.

Da die relative Luftfeuchtigkeit aber ausschließlich virtueller Natur ist, bedarf es ihrer nicht, um den spezifischen Taupunkt zu berechnen. Wie schon erwähnt, sind hierfür nur die Temperatur und die maximale Luftfeuchte notwendig.

Im Prinzip ist aber selbst dieser Begriff schon wieder irreführend, da die Taupunktkurve eine atmosphärische Konstante darstellt, die sich bei gleichbleibendem Druck niemals verändert. So dient sie den Meteorologen als feste Kenngröße, weshalb sich wohl nur wenige Wetterfrösche jemals damit abmühten, den Taupunkt zu berechnen. In akademischen Kreisen ist es jedoch nicht unüblich, die Taupunktformel abzuwandeln, um neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Hohe Mathematik: Die Taupunktkurve

Um dies an einem konkreten Beispiel zu verdeutlichen, ist es zunächst hilfreich zu erfahren, wie Meteorologen die Taupunktkurve verwenden. Dazu werden folgende Werte als gegeben betrachtet:

  • Feuchtigkeit: 10,2 g/m³
  • Temperatur: 25 Grad
  • Taupunkt (aus der Kurve entnommen): 23,1 g/m³
  • Berechnung der relativen Luftfeuchte: (10,2 g/m³ x 100) / 23,1 g/m³ = 44,16 %

Die Regenwahrscheinlichkeit ist damit durchschnittlich einzuordnen. So kann es neben leichter Bewölkung örtlich zu leichten Schauern kommen.

Im Vergleich dazu folgt nun die direkte Taupunkt-Berechnung, die nur von akademischem Nutzen ist:

  • absolute Feuchtigkeit: 7,7 g/m³
  • relative Feuchtigkeit: 85 %
  • Berechnung des Taupunktes: 7,7 g/m³ / 0.85 = 9.06 g/m³

Gemäß der Taupunktkurve muss die Temperatur demnach etwa 9 Grad Celsius betragen, damit sich Niederschlag bilden kann.

So weit, so kompliziert. Dem geneigten Leser mag nun womöglich die Frage umtreiben, warum die Taupunktkurve für den Betrieb moderner Klimageräte relevant sein soll.

Referenzgröße der modernen Klimatechnik

Das führt uns schließlich zur Funktionsweise herkömmlicher Luftentfeuchter, die sowohl als Einzelgerät, wie auch als Bauteilgruppe innerhalb komplexer Klimaanlagen wirken können. Mit Feuchtigkeit durchsetzte Raumluft senkt die Konzentrationsfähigkeit vieler Büroangestellter und die Lebensqualität in Wohnhäusern rapide herab. Mithilfe automatisch gesteuerter Klimaanlagen werden die Temperatur und Feuchtigkeit in der Luft auf einen voreingestellten Wert abgesenkt. Dazu saugen deren integrierte Ventilatoren die Luft ins Geräteinnere, wo sie über eine gekühlte Oberfläche strömt.

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Abhängig von der Raumtemperatur justiert die Steuerung dessen Kühlgrad, um den Taupunkt zu erzielen. Ebenso wie meteorologische Messstationen bedient sie sich dabei digitaler Hygrometer, deren Einstellungen von Ingenieuren anhand der Taupunktkurve exakt festgelegt wurden. Das System verbraucht dabei umso mehr Energie und Kühlflüssigkeit, je stärker die Raumtemperatur abgesenkt und die Luft entfeuchtet werden muss. Ein ähnliches Funktionsprinzip kommt im Übrigen bei heutigen Wäschetrocknern zum Tragen.

Kuriositäten

Da die Taupunktkurve nicht nur in den positiven, sondern auch weit in den negativen Bereich der Celsius-Skala hineinragt, wird auf akademischer Ebene zudem zwischen dem Tau- und dem Frostpunkt unterschieden. So überspringt der Wasserdampf bei diesen Temperaturen den flüssigen Aggregatzustand und kondensiert direkt zu Frost, Eis oder Schnee. Der Frostpunkt kennzeichnet demnach also Taupunkte, die an der Phasengrenze zwischen gasförmigen und festen Stoffen liegen.

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Der dazu gehörige Vorgang wird in Akademikerkreisen auch als Sublimation bzw. Resublimation umschrieben, weshalb die Kennlinie ab diesem Wert nicht mehr als Taupunktkurve, sondern als Sublimationskurve gilt. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Frostpunkt dem Taupunkt jedoch untergeordnet, weshalb Letzteres als Sammelbegriff für beide Temperaturwerte verwendet wird.

Darüber hinaus existieren auch bei vielen anderen chemischen Elementen und Molekülen konkrete Taupunkte, wenngleich damit zumeist kein praktischer Nutzen verbunden ist. Dies trifft allerdings nicht auf Kohlenwasserstoff und Schwefelsäure zu. So bestehen fossile Energiequellen wie Erdgas und Öl zu großen Teilen aus Kohlenwasserstoffen. Die Kenntnis der Taupunkte jener Stoffe ist für komplexe Verbrennungsprozesse daher ebenso notwendig wie der Schwefelsäuretaupunkt. Abgesehen davon basieren viele heutige Klebstoffe, Löse- und Reinigungsmittel auf Kohlenwasserstoffen.

Die primäre Aufgabe der Taupunktkurve verbleibt aber letztlich dennoch in der Meteorologie und lokalen Wettervorhersage verortet.

Weshalb sie daher zuweilen in Betriebsanleitungen moderner Klimageräte thematisiert wird, erscheint selbst Fachkräften rätselhaft. Dieser Umstand dürfte zumeist allerdings auf übereifrige Angestellte deutscher Ingenieurbüros oder fehlerhafte Übersetzungen ausländischer Produkte zurückzuführen sein. Eigenheimbesitzer, die solche Geräte demnächst zu installieren gedenken, dürfen jenen Abschnitt also fraglos überspringen.